Storytelling – was ist das eigentlich?

Im Bereich des Content-Marketings ist der Begriff des Storytelling in aller Munde. Grund genug einmal zu fragen, was sich dahinter verbirgt. Was heißt Storytelling und wie wird es im Marketing eingesetzt?

Das Vokabular von Werbestrategen und Marketing-Experten ist dermaßen durchsetzt von Anglizismen, dass man den Eindruck gewinnen könnte, die deutsche Sprache sei ungeeignet, die besonderen Kenntnisse und Methoden der Absatzwirtschaft zu beschreiben. Der Begriff des Storytelling ist meiner Ansicht nach ein gutes Beispiel für die babylonische Sprachverwirrung, die sich mitunter im Bereich des modernen Marketings breitmacht. Die übliche deutsche Übersetzung des Begriffs lautet ‚das Geschichtenerzählen‘. Tatsächlich trifft die Übersetzung aber nicht genau, da die Verlaufsform des Englischen nicht mit übersetzt werden kann. Grade dieser Aspekt ist aber nicht unwichtig, da er auf das Erzählen im Sinne einer Handlung verweist die in der Gegenwart voranschreitet. Das aber nur am Rande, denn sowohl der englische als auch der deutsche Begriff bezeichnet ursprünglich eine Kulturtechnik die schon in vorschriftlichen Gesellschaften dazu diente, religiöse Mythen, kulturelles Wissen und Werte in Erzählungen zu tradieren. Diese Technik besteht im performativen Erzählen als unmittelbarer Form der Vermittlung einer Geschichte. Dabei ist der Storyteller derjenige, der, indem er erzählt, die Geschichte aktualisiert. In Schriftkulturen spielt das Geschichtenerzählen in diesem Sinne kaum noch eine Rolle. Wichtige kulturelle Informationen werden hier niedergeschrieben, kopiert, geteilt und für die Nachwelt erhalten.

Sobald eine Geschichte (oder ein Inhalt im weiteren Sinne) vermittel wird, wird der Erzähler (bzw. derjenige der einen Inhalt präsentiert) zu einer Funktion der Erzählung selbst. In der Erzähltheorie ist deshalb die Erzählung – der narrative Diskurs – die zentrale Bezugsgröße. Sowohl die Geschichte als auch der Erzähler – die narrative Instanz – begegnen dem Rezipienten nur im narrativen Diskurs und nur in dem Maße in dem sie darin präsent sind. Der Akt des Erzählens – die Narration – ist in diesem Zusammenhang schwer zu fassen, da er sich in der Hervorbringung der Erzählung selbst erschöpft. Er ist aber die Bedingung für den diskursiven Charakter der Erzählung. Das Storytelling betrifft dagegen im Wesentlichen modale Aspekte der Erzählung. Also die Frage wie erzählt wird. Seine besondere Prominenz verdankt der Begriff den Erzählprofis aus Hollywood, die das Storytelling als zentrale Säule ihrer Erzählkunst perfektioniert haben.

Storytelling im Marketing

Wenn im Marketing von Storytelling die Rede ist, dann geht es in der Regel darum ein Unternehmen, eine Marke oder ein Produkt in einen positiv konnotierten Diskurszusammenhang zu setzen. Dabei kommt es weniger darauf an, ob es sich um eine Erzählung im eigentlichen Sinne handelt, sondern darauf, dass bestimmte kommunikative Ziele erreicht werden. Das Storytelling bedient sich dazu der Mechanismen des narrativen Diskurses. Als Marketing-Maßnahme setzt das Storytelling auf die ganz ursprünglichen Wirkmechanismen des Geschichtenerzählens: Emotionen, Werte und Identifikation. Es geht dann darum, eine Marke oder ein Produkt so in eine Erzählung einzubetten bzw. in einem diskursiven Zusammenhang zu positionieren, dass sich der Rezipient (die Zielgruppe) nicht nur angesprochen fühlt, sondern sich selbst und die beworbene Marke bzw. das Produkt mit dem vermittelten Inhalt identifiziert. Das besondere Potential der Erzählung für das Content-Marketing liegt dabei darin, über die reine Informationsvermittlung hinaus auf emotionaler Ebene zu wirken und so nachhaltig in Erinnerung zu bleiben. Um dieses Potential zu nutzen, kann das Storytelling (im weiteren Sinne) in ganz unterschiedlichen Marketing-Zusammenhängen und auf verschiedenen Ebenen und Kanälen eingesetzt werden: Vom Blog-Beitrag über PR-Kampagnen bis zur strategischen Markenentwicklung; online ebenso wie offline.

Auch wenn der Begriff des Storytelling derzeit Hochkonjunktur hat, ist das Prinzip auch im Marketing nicht wirklich neu. Image-Kampagnen und TV-Werbespots zum Beispiel bedienen sich seit jeher erzählerischer Mittel. Hochaktuell ist das Konzept aber trotzdem, da es insbesondere durch die digitalen Medien auch für kleinere Unternehmen immer interessanter wird. Jedes Produkt, jede Marke und jedes Unternehmen, wird auf die eine oder andere Weise Teil öffentlicher Diskurse. Es lohnt sich deshalb, darüber nachzudenken, diese Diskurse aktiv mitzugestalten: Wer seine eigenen Geschichten erzählt, kann dadurch nicht nur Aufmerksamkeit erzeugen, sondern entscheidet auch was und wie erzählt wird.